Die richtige Vorsorge für Multi-Krisen-Situationen
Zahlreiche Themenfelder beeinflussen das derzeitige Risikomanagement. Dazu zählen nicht nur der Ukraine-Krieg, die Inflation und die Post-Covid Auswirkungen, auch Cyberangriffe und Klimarisiken dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Wie die NORD/LB ihren Kunden hier vorbeugend zur Seite steht, berichtet André Fasterding, Leiter Kreditrisikomanagement NORD/LB, im Interview.
Herr Fasterding, die Situation ist derzeit äußerst komplex – gerade in der Kreditvergabe. Was hat sich dadurch im Risikomanagement verändert?
Die Risikolage ist zurzeit besonders vielschichtig – ein sehr großes Thema dabei ist die Inflation. Die Krisenparameter und die verbundenen Risiken steigen langsam weiter an. Jeder weiß, die kommenden Zeiten werden schwierig, doch niemand weiß, wie es tatsächlich wird. Hierzu bleibt zunächst abzuwarten, welche Wechselwirkungen sich aus den Krisenparametern ergeben. Risiken, die allein beherrschbar wären, können in der derzeitigen Situation zur Mammutaufgabe werden. Und: wir können nicht mehr davon ausgehen, dass der Staat alle Krisen so abfedern kann wie die Folgen der Pandemie.
Bankseitig haben wir uns vorbereitet, indem wir alle notleidenden Kredite auf deutlich unter ein Prozent zurückgeführt und Vorsorge durch die Bildung von Risikopuffern geleistet haben. Wir haben uns aktiv auf Risikomomente vorbereitet, dabei spielt auch unser qualitativ hochwertiges Kreditportfolio eine tragende Rolle. An dieser Stelle profitieren wir von den langfristigen Beziehungen, die wir mit unseren Kunden pflegen.
Wie betrachten die Kunden die Lage und was hat sich bei den Kunden durch die Multi-Krisen-Situation verändert?
Die meisten Kunden oder Unternehmen bereiten sich sehr stark auf die Energieversorgungslage vor. Dabei haben sie verschiedene Herangehensweisen: Zunächst versuchen alle so viel Energie wie möglich einzusparen, aber eben in dieser Phase auch alternative Energieträger - wie Öl - zu nutzen, um den Betrieb sicherzustellen. Andere haben sogar die Möglichkeit, die Produktion in andere Länder zu verlagern, sofern Kapazitäten noch Spielraum haben und Energie günstiger ist.
Ein weiterer Faktor, der unsere Kunden beschäftigt, sind ihre Lieferketten. Diese werden derzeit genau auf den Prüfstand gestellt. Dabei werden auch ihre Produktionsprozesse und Abnehmer genau analysiert, um künftig eine möglichst stabile Lieferkette gewährleisten zu können.
Sie analysieren permanent Portfolios und Branchen und haben dadurch einen umfassenden Überblick. Wo liegen aktuell die größten Baustellen?
Der Schwerpunkt liegt derzeit eindeutig auf Branchen, denen im Falle einer potenziellen Gasmangellage hohe Ausfälle drohen: Maschinen- und Anlagenbau, Automotive, Chemie und Ernährung. Da diese Situation aber bereits abzusehen war, dürfte davon nur ein kleinerer Teil betroffen sein. Viele haben schon vorab umgestellt und gehen in die richtige Richtung.
Die Energieversorgung ist eines der dringendsten Themen unserer Zeit. Wie haben die Energieversorger den Umbau ihrer Stromerzeugung gestemmt und mit welchen Finanzierungsherausforderungen war dies verbunden?
Positiv ist zu vermerken, dass der Bund schnell gehandelt und die Lieferketten in der Versorgung sichergestellt hat. Dadurch wurden Hunderte von Stadtwerken geschützt und die Versorgungssicherheit ist auch für den nächsten Winter noch gewährleistet. Des Weiteren tätigen viele weiter umfangreiche Investitionen in alternative Energien. Hier ist dann unsere Expertise als Bank gefragt, da wir bereits seit Jahren derartige Projekte im In- und Ausland betreuen. Da können Krisen auch positive Effekte haben, sie lösen besondere Innovationsschübe aus und beschleunigen den Wandel. Hier bleibt nur die Frage, wie schnell der Aufbau der erneuerbaren Energien in Deutschland erfolgen kann.
Welche weiteren Themenfelder sehen Sie darüber hinaus und wie beeinflussen diese das Risikomanagement der Kunden?
Die Anzahl der Cyberangriffe hat sich definitiv deutlich erhöht. Wir erleben, dass die Unternehmen mehr und mehr in die IT investieren, um sich zu schützen. Als weiteres Thema kommt hinzu, dass durch die zahlreichen Embargos auch Compliance-Themen eine Rolle spielen. Unternehmen müssen heute stärker darauf achten, wo die Ware am Ende wirklich hingeht, aber auch wo sie herkommt. Ein Beispiel ist China, inklusive der Eskalation des Konfliktes zwischen China und Taiwan. Hier müssen Unternehmen sich zusehends Gedanken über Alternativszenarien machen – also alternative Lieferanten, Produktionsstätte und Märkte.
Hinzu kommen die verstärkten Auswirkungen des Klimawandels. Besonders im Agrarsegment bemerken wir zunehmend Herausforderungen durch Dürreperioden und wegfallende Transportwege, wie z.B. dieses Jahr auf dem Rhein. In solchen Fällen ist der Versicherungsschutz für Unternehmen relativ begrenzt und sie sind gezwungen, ihr Risikomanagement neu aufzustellen.
Wie unterstützen Sie die Kunden der NORD/LB konkret in der Zusammenarbeit?
Inflation ist aus meiner Sicht das schwierigste und wichtigste Thema. Insbesondere auslaufende Kredite mit einer notwendigen Zins- und Währungssicherung stellen hier derzeit das zentrale Element dar. Und dabei kommt es darauf an, dass wir als Bank Teil der Lösung sind.