Auf ein Wort mit Nils Jacholke
Sichtbarer Trend zur Miete in allen Branchen
Wir sprechen mit Nils Jacholke, Bankabteilungsdirektor/Leiter Structured Solutions NORD/LB. Er arbeitet seit fast 14 Jahren im Firmenkundengeschäft/Corporate Finance der NORD/LB und leitet eine Produkteinheit, die neben der Einbindung Öffentlicher Mittel vor allem individuelle corporate- und assetgetragene Finanzierungslösungen auf Basis entgeltlicher Nutzungsüberlassungsmodelle wie Leasing, Miete oder Mietkauf für das mittelständische Zielkundensegment der NORD/LB entwickelt.
Frage: Mieten statt kaufen ist seit längerem ein Trend und die NORD/LB bietet ihren Kunden sehr spezialisierte Finanzierungsangebote. Wie hat sich der Markt entwickelt und insbesondere verändert?
Nils Jacholke: Psychologie und Bedarfsneigung am Markt haben sich verändert: So denken Endnutzer – privat wie gewerblich – seit einigen Jahren verstärkt über mieten statt kaufen nach. Und ich glaube, dieser Bruch in der Psychologie vieler Käufer ist unumkehrbar, da die zunehmend gewollten Mehrwerte deutlich überwiegen. Zu nennen wäre da vor allem eine skalierbare Flexibilität, Full- oder konfigurierte Added-Services-Pakete inklusive Wartung, Verlagerung der Finanzierungsfunktion, Optimierung der eigenen Liquiditätsrelationen und dem Erhalt der technologischen Wettbewerbsfähigkeit im Kontext immer kürzerer Innovationszyklen. Die Konsequenz hieraus sind veränderte Bilanz-, G&V- und Liquiditätsrelationen, die Übernahme der Finanzierungsfunktion und damit der Bedarf zukunftsfähiger Finanzierungsmodelle für die Hersteller. Sich dieser Herausforderung zu stellen ist aus meiner Sicht wettbewerbsimmanent und nicht aufschiebbar. Doch während die Endnutzer ihre Einstellung verändert haben, sind noch nicht alle Hersteller auf das neue Umfeld eingestellt. In einigen Branchen, die bislang ausschließlich auf den Verkauf ihrer Produkte gesetzt haben, befinden sich Player noch in einem Zwischenstadium und eruieren das Feld, insbesondere im Wholesale-Segment.
Frage: Welche Kunden begleitet die NORD/LB und wie helfen Sie diesen?
Nils Jacholke: Unsere Finanzierungslösungen wirken seit Jahren branchenübergreifend. So haben wir in der Telekommunikations-Branche skalierbare Absatz-Finanzierungsmodelle für große Anbieter entwickelt, mit einem Softwareanbieter an der Entwicklung eines Abomodells mit regelmäßigen Updates mitgewirkt – oder eine bilanzneutrale Finanzierungslösung für interaktive Kassensysteme aufgesetzt. Es kommt immer darauf an, was der Kunde genau braucht: Die drei Beispiele verweisen auf drei unterschiedliche Assets und sind beispielhaft für die Spannbreite der betroffenen Branchen, bei denen durch die zunehmende Nachfrage (B2B/B2C) nach entgeltlichen Nutzungsmodellen die oftmals identischen Fragen auf Ebene der Hersteller aufkommen. Hierfür haben wir gute und über Jahre gelebte Finanzierungsmodelle, die es uns ermöglichen, für jeden unserer Kunden eine geeignete Finanzierungslösung zu entwickeln.
Frage: Bei welchen Kundengruppen ist das Interesse an Leasing besonders gestiegen und welche Lösungen suchen diese?
Nils Jacholke: Im Grunde beschäftigen sich alle Kunden damit, deren Kunden verstärkt Mietlösungen nachfragen – daher gehe ich davon aus, dass die Nachfrage hier in der nächsten Zeit weiter anziehen wird. Und dies sowohl im privaten Bereich als auch auf Ebene der Unternehmenskunden, da die jeweiligen Vorteile für sich sprechen. In einigen Bereichen ist die Nachfrage bereits jetzt höher als die Angebote auf der Anbieter- bzw. Herstellerseite. Zusammengefasst kann man sagen: Je konfektionierter und individualisierter das Leasinggut, desto weniger weit sind Anbieter derzeit noch mit ihren Angeboten.
Frage: Welche Rolle spielen Digitalisierungsprojekte beim Leasing?
Nils Jacholke: In einigen Bereichen wie IT und Software ist Leasing bzw. sind Abomodelle schon lange gang und gäbe. Der Hintergrund: Nicht jedes Unternehmen ist groß genug, um sich eine eigene IT-Abteilung leisten zu können. Daher gibt es in der ganzen Branche schon länger standardisierte Lösungen oder Pakete, die die Anbieter von der ersten Konfektionsphase bis zur Endauskleidung betreuen. Die Pandemie hat eines deutlich gezeigt, digitalisierte Unternehmen konnten oftmals deutlich flexibler auf die Einschränkungen – insbesondere in ihren Vertriebs- und Wertschöpfungsprozessen – reagieren, daher hat seither der Druck zum Nachrüsten bei den digitalen Nachzüglern massiv zugenommen. Jetzt ist die Investition in eine bessere digitale Infrastruktur – also die komplette Supply Chain – das Thema der Stunde.
Frage: Eine neue Form des Leasing ist Pay-per-Use. Was ist an dieser Leasingform besonders interessant – und was ist besonders komplex in der Ausgestaltung?
Nils Jacholke: Hier muss man sich zuerst über das gemeinsame Verständnis hinter diesem Begriff verständigen. Bei Leasinglösungen ist die laufzeitkongruente Nutzung gegen Zahlung schon immer modellimmanent. Die seit 3 bis 4 Jahren geführte Pay-per-Use-Diskussion geht noch deutlich weiter und referenziert auf hochvariable Finanzierungsmodelle, die sich z. B. an der tatsächlichen minutengenauen Nutzung einer geleasten Maschine orientieren. Die zunehmende Vernetzung zwischen Herstellern und ihren Kunden und die hieraus vornehmlich zu Maintenance-Zwecken erzeugten Daten könnten natürlich auch zu in ihrem Detaillierungsgrad neuen Finanzierungsmodellen führen.
Im Retail-Segment sind hier schon viele Beispiele zu finden wie Car to go, weil dies durch die höhere Standardisierung der Objekte, größere Sekundärmärkte und eine deutliche größere Verwertungsfähigkeit stark erleichtert wird. Im Wholesale-Segment ist das aus denselben Gründen deutlich schwieriger und in der Umsetzung komplexer – dies umso mehr, je konfektionierter die Objekte ausfallen. Aufgrund des in der Regel deutlich individuelleren Finanzierungscharakters für das jeweilige Objekt liegt hier außerdem eine deutliche größere Herausforderung in der Verteilung der transaktionsbezogenen Risiken zwischen den Beteiligten, also Hersteller, Bank, Endkunde.
Wer trägt das Restwertrisiko? Wer bilanziert das Asset? Sind Kunden bereit, die tatsächlichen Nutzungsdaten schnittstellenbasiert bereitzustellen? Hierüber wären auch bonitätstragende Echtzeitaussagen über Auftragsaufkommen und Auslastung möglich. Ist der Endkunde ferner bereit, die höheren Kosten einer hochvariablen Refinanzierung zu tragen? Überwiegt der Vorteil einer nutzungsgenauen Abrechnung für den Endkunden hier die unter Abwägung aller vorgenannten Aspekte bestehenden Konsequenzen? Insbesondere die noch immer offene Antwort auf die letzte Frage erklärt, warum es im gehobenen Mittelstandsgeschäft deutscher Banken noch immer an einer marktgängigen, echten Pay-per-Use-Finanzierungslösung bzw. -plattform mangelt. Die Beantwortung der letzten Frage dürfte von zentraler Bedeutung sein.
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Nils Jacholke
Leitung, Corporate Financial Advisory
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