Matthias Ohl, Sprecher der Geschäftsführung
der Iqony Fernwärme GmbH

„Wärme ökologisch und ökonomisch sinnvoll einsetzen“

Das Credo der Firma Iqony ist, grüne Energie machbar zu machen – hierzu greifen sie auf 85 Jahre Erfahrung in Planung, Bau und Betrieb energietechnischer Anlagen zurück und bieten heute ganzheitliche Lösungen für die Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung der Energieversorgung. Ihr Ziel ist es, bis 2040 klimaneutral zu sein. So setzen sie bereits heute auf regenerative Energien und Brückentechnologien, die in Zukunft auch klimaneutral eingesetzt werden können. Mit Matthias Ohl, Sprecher der Geschäftsführung der Iqony Fernwärme GmbH, sprechen wir im Interview über die Erweiterung ihres Fernwärmeangebots und ESG-Komponenten in ihren Finanzierungen.

Iqony Fernwärme ist ein Anbieter für klimaschonende Fernwärme im Ruhrgebiet. Über das überregionale Verbundsystem der Fernwärmeschiene Ruhr versorgen Sie die innerstädtischen Fernwärmenetze in Bottrop, Essen und Gelsenkirchen.  Was ist Ihre Vision dahinter? Wie möchten Sie das Verbundsystem weiterentwickeln?

Bis 2040 wollen wir Klimaneutralität erreichen. Sicher ist bereits heute, dass wir auch zu diesem Zeitpunkt noch mit Rohrleitungssystemen arbeiten werden. Durch die vermehrte Verwendung von industrieller Abwärme, direkt nutzbar oder in Kombination mit Wärmepumpen, werden wir diese jedoch künftig gänzlich CO2-neutral betreiben können. In diesem Zusammenhang sehen wir uns als „Sammler“, d.h. wir sammeln die Wärme dort, wo sie entsteht, erhitzen Wasser und leiten dieses mit Überdruck in die Haushalte. Fossile Energien werden dann nicht mehr verbrannt. Die unvermeidbare Abwärme wird aus Müllverbrennungen, Industriebetrieben oder perspektivisch gar aus der Wasserstoffproduktion gewonnen. Durch diese Art der Wärmebeschaffung dezentralisieren wir unser System enorm und werden unsere aktuell zehn Abwärmequellen in Zukunft auf rund 40 erweitern.

 

Mit dem Bau eines Fernwärmespeichers in Gelsenkirchen tragen Sie weiter zur Dekarbonisierung des Wärmenetzes bei und können flexibler auf die gestiegene Nachfrage nach Fernwärme reagieren. Welche Rolle spielt der Wärmespeicher oder die Wärmespeichertechnologie in ihrem Gesamtkonzept?

Im Kern geht es uns darum, möglichst viel Flexibilität in der Wärmeversorgung zu gewinnen. Hierzu müssen wir einerseits den volatilen Preisen entgegenwirken und andererseits Wärme effizient einsetzen. Konkret heißt das in der Umsetzung, dass wir Wärme, wenn sie günstig anfällt, entweder verbrauchen oder mit Hilfe unserer Wärmespeichertechnologie sichern, um sie bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu nutzen. Durch den verstärkten Einsatz von Erneuerbaren Energien erleben wir hohe Preisschwankungen an den Märkten, sodass sich die kommerziellen Bedingungen der Wärmeerzeugung schnell auch innerhalb kurzer Zeit ändern können. Mit dem Speicher können wir bei niedrigen Kosten die Gelegenheit nutzen, Wärme zwischenzuspeichern. So sorgen die Wärmespeicher für Preis-, Netz- und Versorgungsstabilität und tragen zur Dekarbonisierung unseres Wärmenetzes bei. Unsere Wärmespeichertechnologie basiert auf Wasser, dieses eignet sich als besonders gutes Speichermedium, da es sich einerseits gut steuern lässt und, anders als Batterien, über die Lebensdauer keine Speicherkapazität verliert. Die Inbetriebnahme des Wärmespeichers ist für Anfang 2026 geplant.

 

Welche weiteren Maßnahmen zur Dekarbonisierung ihres Fernwärmenetzes planen Sie?

Kurzfristig arbeiten wir gerade daran, gemeinsam mit der Firma Trimet, eine weitere Fernwärmequelle zu erschließen. Trimet ist ein Aluminiumproduzent in unserer Region, mit dem wir im vergangenen Jahr einen Kooperationsvertrag über 20 Jahre geschlossen haben. Gemeinsam arbeiten wir daran, die in der Produktion entstehende Abwärme für die Fernwärmeversorgung nutzbar zu machen. Die Abwärme der Aluminiumhütte hat rund 170 Grad. Durch einen Anschluss an unser Rohrleitungssystem können wir die Abwärme mit Hilfe eines Wärmetauschers für die Erhitzung des Wassers nutzen und schließlich in unser Netz einspeisen. Ab 2025 werden wir auf diese Weise jährlich 31 Gigawattstunden für unser Fernwärmenetz mit Trimet generieren.
Darüber hinaus sind wir mit weiteren Industrie-Lieferanten wie den bereits angesprochenen Wasserstoffproduzenten im Gespräch. Generell sehen wir, dass das Thema industrieseitig immer mehr an Beliebtheit und Relevanz gewinnt und viele Betriebe ein Interesse daran haben, ungenutzte Wärme in Fernwärme umzuwandeln und mit uns zu kooperieren.

 

Für die Transformation hin zu einem nachhaltigen Unternehmen haben Sie in die Finanzierung mit der NORD/LB spezielle ESG-KPIs integriert. Was war hier Ihre Motivation?

Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, dem sich kein Unternehmen entziehen kann. Das Interesse besteht auf allen Seiten, angefangen bei unseren Mitarbeitenden und Gesellschaftern bis hin zu unseren Kunden. Wer heute erfolgreich sein möchte, kommt an Nachhaltigkeitsbestreben auf allen Ebenen nicht vorbei. Mit der NORD/LB haben wir gemeinsam eine Finanzierungslösung für ein Projekt zur Förderung der Wärmewende entwickelt. Dabei haben wir uns entschieden, die Finanzierung an ESG-Komponenten zu koppeln. Letztlich haben wir uns für die Komponenten Emissionsfaktor Fernwärme, Gender Pay Gap und Ausbildungsquote entschieden. Faktoren, die bereits eine große Rolle in unserer Nachhaltigkeitsstrategie spielen.  

 

Wodurch zeichnet sich in diesem Projekt die Zusammenarbeit mit der NORD/LB aus?

Für unsere ambitionierten Wachstumsvorhaben benötigten wir, neben einer starken Innenfinanzierungskraft, nun auch die Unterstützung von externen Kapitalgebern. Dieser Bedarf wurde seitens der NORD/LB frühzeitig erkannt. In der NORD/LB haben wir einen Finanzierungspartner gefunden, der bereit ein tiefgehendes Verständnis von den Besonderheiten der Energiewirtschaft mitbringt und mit der fristenkongruenten Finanzierung von langlaufenden Assets vertraut ist. Daher konnten wir uns darauf einigen, dass wir eine langlaufende Finanzierung benötigen, die auch den langwierigen Transformationsprozess abbilden kann. Auf beiden Seiten bestand der klare Wille, eine gemeinsame Lösung zu finden. Die vergangenen Jahre waren sehr anspruchsvoll in unserem Umfeld und wir sind froh, dass wir die NORD/LB als verbindlichen und verlässlichen Partner an unserer Seite hatten und wir gemeinsam diesen (ersten) Meilenstein erreichen konnten.

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